Vereinsmeierei Hendesse

Meine zweite Tour durch Handschuhsheim startet an dem Punkt, an dem die erste tour geendet hat. Wir sind jetzt fast bei der schönen Tiefburg – fast: In der Dossenheimer Landstraße 2, in der schönen und allseits geliebten Bücherstube des Stadtteils: Unabwendbar, dass die Bücherstube hier dabei ist. Ein Schmuckkästchen! Nina Emmert-Neumann führt die Buchhandlung seit zwei Jahren. Im Sortiment der Bücherstube finden Sie alles, was das Herz begehrt: Krimis, Kinderbücher, Schulbücher, fremdsprachige Titel, Reiseführer, Romane und … und … und. Kleine Geschenkideen bekommen Sie hier auch. Das Team ist sehr aktiv und steht für einen besonders guten Service: Beratung, Lieferung und die Organisation von Lesungen sowie von Büchertischen in Instituten, Schulen, Kindergärten und bei Heidelberger Kulturveranstaltungen. Regelmäßig werden von den Mitarbeiterinnen Lesekreise für Erwachsene und Kinder organisiert. Alle zwei Jahre wird sogar ein großes Krimifestival in der Tiefburg veranstaltet.

Auch die Unterstützung regionaler AutorInnen liegt den Mitarbeiterinnen am Herzen. Ja, es ist unübersehbar: sie lieben Bücher und die KundInnen haben eine sehr persönliche und langjährige Bindung zu dem netten Team. Mein Geheimtipp: Setzen Sie sich mit einer Auswahl an Büchern in den kleinen, verträumten „Garten“. Da können Sie im Grünen märchenhaft reinschnuppern und sie vergessen die Zeit.

Wir gehen aus dem Laden, spenden einen kurzer Blick auf das schöne, historische Rathaus mit seinem Füllhaltermuseum und wenden uns nach rechts zur Tiefburg. Ja, eine Augenweide! Ich überspringe textlich die idyllische und so schöne Tiefburg. Ich weiß, das tut so manchem in der Seele weh und natürlich ist sie immens wichtig und ihr gebührt jede Menge Ehre, aber sie ist eben auch schon so oft besungen und beschrieben: Die Tiefburg ist das Herz und die örtliche Heimat des sehr engagierten Stadtteilvereins. Der ist nicht nur kerwemäßig und geschichtlich sehr aktiv, sondern bringt seit 1981 auch jedes Jahr ein neues Jahrbuch heraus, rechtzeitig zur Kerwe. Wenn Sie ein Exemplar ergattern können, tun Sie es. Es bringt unglaublich Interessantes über unsere Heimat zutage und man lernt gleich die vielen Akteure des Stadtteils kennen. Ein Tipp für Zugezogene: Werden Sie Mitglied im Stadtteilverein, dann sind Sie allerbestens vernetzt im Stadtteil mit der ganzen Familie!!

Auf gehts an der schönen Tiefburg vorbei, links abbiegen in die Steubenstraße und ich hole mir ein Eis auf die Hand im Café an der Tiefburg in der Steubenstraße 78. Das schöne Café wirbt mit Genusshandwerk an Kuchen, Torten, Gebäck, mit kleinen Speisen, Eis, sowie Charme, hoher Qualität und besonders gutem Service – seit sage und schreibe 1949. Ich liebe immer schon das 50er Jahre Outfit. Nehmen Sie sich Zeit! Pfeifen Sie auf Kalorien und lassen sich entflammen für wirklich guten Kuchen und ein Kännchen Kaffee. Für zuhause lassen Sie sich von den handgefertigten Pralinen und Trüffeln einpacken. Manchmal muss es Sünde sein.

Nun, da wir im Zentrum von Hendesse weilen, ist es Zeit über die legendäre Kerwe zu schreiben, die auch hier ihr Feier-Zentrum einmal im Jahr hat. Wenn sie jedes Jahr im Sommer eingeläutet wird, macht sich ganz Heidelberg auf den Weg. Es steppt der Bär für Kinder, Teenies bis Senioren. Gefühlt sind alle da und bis morgens am Feiern von freitags bis Montag! Die Handschuhsheimer sagen, es sei wie ein jährliches Klassentreffen in XXL. Wiedersehen mit Garantie. So ein Zusammenhalt macht ein bisschen neidisch. Dass alles so klappt, flutscht und zusammenhält ist all den engagierten Vereinen, bzw. deren Mitgliedern in Hendesse zu verdanken: Orchesterverein, TSV mit seinen Abteilungen, DRK, der Pro Rugby Verein, Gesangsverein Thalia, Stadtteilverein und viele mehr. Das ist wirklich besonders in diesem Stadtteil. Damit das immer wieder stattfinden kann, brauchen die Vereine unbedingt junge, aktive Akteure. Nix wie ran an die Buletten oder rein in den Verein deiner Wahl!

Das Schlösschen und der Grahampark, gegenüber der Tiefburg, ist ebenfalls ein Ort fürs Feiern und dieser bezaubernde, historische Platz verdient ein genaueres Hinsehen. Das Carl-Rottman-Gebäude und der grüne Park gehören zusammen und entspringen einem spätmittelalterlichen Adelssitz. Besonders märchenhaft ist der Treppenturm. Wo ist Rapunzel nur? Dem damaligen Schlösschen war übrigens ein ähnliches Schicksal angediehen, wie seiner großen Schwester, dem Heidelberger Schloss, 1674 war es von französischen Truppen (Vicomte Turenne) niedergebrannt worden. Interessante Persönlichkeiten bauten es wieder auf und bewohnten das romantische Schlösschen. Seit 1974 ist in dem liebevoll sanierten Gebäudekomplex die städtische Musik- und Singschule beheimatet. Der idyllische, grüne Park mit Spielplatz ist versteckte, grüne Auszeitzone für alle. Quelle: www.handschuhsheim-erkunden.de/schloesschen/

Raus aus dem schönen Park und wieder rein in die Steubenstraße – gegenüber vom Grahampark-Ausgang (Steubenstraße 74) floriert ein kleiner, bezaubernder und inspirierender Laden mit Deko- und Einrichtungsgegenständen. Natürlich können Sie sich einfach in eines der neu gestalteten und antiken Möbelstücke verlieben und sie kaufen, aber Sie sind hier bestens aufgehoben und werden umfassend beraten, wenn Sie selbst eines Ihrer Möbel oder Wohnaccessoires verzaubern und Ihnen stilvoll ein neues Kleid verleihen wollen. Seit 2019 residiert hier Noordvint mit der Inhaberin Elke Tadjalli Mehr. Sie berät sie mit den richtigen Farben (eine riesige Auswahl an Kreidefarben auf Wasser-Kalk-Basis), mit Pinseln, mit Blattgold, mit Schablonen, Stempeln, Transferbildern, Découpage Papieren oder auch mit den passenden Möbelknöpfen und -Beschlägen. Es macht Lust und Laune das gute alte Erbstück (ob Möbel, Stiefel oder Geigenkasten) gestalterisch aufzuwerten. Ein Kunde hat die Inhaberin als „Möbelretterin“ betitelt. Wie schön ist das denn? Ein Eldorado für Kreative und die, die es werden wollen. Wenn Sie unsicher sind, melden Sie sich einfach zu einem der Workshops von Frau Tadjalli Mehr an.

Sie begleiten mich auf der Steubenstraße weiter in südliche Richtung, eine Straße, die bald (wenn auch umstritten) zur Fahrradstraße erhoben wird und damit auch etwas sicherer sein wird.

Nur ein paar Meter auf der rechten Seite landen im letzten Fleischerfachgeschäft des Stadtteils bei Claudia und Jürgen Müssig. Jürgen Müssig legt gleich los, was die Metzgerei auszeichnet: Die Eltern haben das Geschäft 1960 gegründet. Er selbst führt es seit 30 Jahren. Das Fleisch kommt aus dem Umland. Er achtet auf kurze Wege. Überhaupt ist bei ihm Handwerk, Tradition und Nachhaltigkeit angesagt. Selbst die Gewürze und Zutaten für Wurst und Fleisch kommen aus der Region. Nichts wird hier weggeworfen, nichts im Überfluss produziert. 98% der Wurst macht Jürgen Müssig selbst. Täglich frisch. Ich kanns kaum glauben und bin beeindruckt. Während ich da bin, ist es ein Kommen und Gehen – ein persönliches Miteinander. Wie war es auf dem Geburtstag letzten Dienstag? Eine Scheibe Lyoner für den Teenager, der schon drauf gewartet hat. Es brummt. Viele Kunden werden mit dem Vornamen angesprochen. Auch das macht die Ladenkultur in Hendesse aus. Ein Student kommt rein, fragt nach Fleisch und dem passenden Rezept für Sauerbraten. Auch das ist ein besonderer Service der Müssigs. Ich bin ganz Ohr!

Nur zwanzig Meter Fußweg auch auf der rechten Seite in der Steubenstraße schlagen Eltern- und Kinderherzen höher! Türen auf für Kinderzimmerträume! Sie finden hier bei Sandra Autz und ihrem netten Team Entzückendes, Verträumtes, Verspieltes und Praktisches für das Kinder oder Babyzimmer: Möbel, Kleinmöbel, Tapeten, Teppiche, Kissen, Bettwäsche, Lampen, Accessoires und jede Menge Spielzeug und Nützliches, vom Haargummi über Taschen, Schulranzen, Kuscheltiere bis hin zu Spielen und Bastelpaketen und jede Menge Geschenke für Eltern, Babies und Kindergeburtstage. Ein Paradies! Wie blöd, dass meine Kinder schon groß sind. Frau Autz hat die Liebe zu Kindermöbeln durch die eigenen Kinder entdeckt und ging 2009 auf die Suche nach geschmackvollem Interior und einem Ladengeschäft. Seit 2015 hat sie sich in Hendesse niedergelassen auf mehr als 100qm! Das sieht man dem Laden von Außen nicht an. Mir mutet es sehr skandinavisch und so ist es auch. Die Kindermöbel und Co kommen aus Dänemark, Holland, Deutschland und Spanien. Die Farbwelten sind gedeckt in rosé, beige, hellblau, blau, weiß, blaugrün, grau. Das nette Team steht natürlich bereit zur Beratung. Sie bieten auch Gesamtkonzepte. Ein Oase für Geschenke von ratlosen Paten und Onkels, Tanten der Kleinen! Und Frau Autz übertreibt nicht mit dem Namen Kinderzimmerträume. Ich übertreibe jetzt mal nicht mit der Superlative. So ist es – ein Traum für Kinderzimmer. Nichts wie rein, liebe Eltern!

Jetzt geht´s ab auf´s Rad, auf einen längeren Fußmarsch oder auch mit dem Auto (zu schade, denn es ist landschaftlich so wohltuend durch die Felder zu gehen) über die Dossenheimer Landstraße in, die Mühlingstraße auf´s Handschuhsheimer Feld. Mehr als 130 Hektar Ackerland und um die 20 Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe bieten ihr breites, frisches Sortiment an Obst und Gemüse. Ein Spaziergang ist immer inspirierend und entschleunigend. Landleben eben. Ich kann mich kaum entscheiden, über wen ich schreibe. Schauen Sie sich selbst um: www.gaertnervereinigung.de/einkaufen-im-feld. Natürlich sind einige auch auf den Wochenmärkten vertreten, aber direkt macht es noch mehr Freude beim Auswählen und Einkaufen.

Mich zieht es zur Gärtnerei und Hofladen Lenz. Die Meerschweinchenfamilie im Stall im Außenbereich entzücken mich schon mal und hinter den Schweinchen steht ein praktikabler 24-Stunden-Frische-Automat für die Notfallkunden, die ein Problem mit Öffnungszeiten haben. Ich gehe dem Duft hinterher, in den Laden zu reichlich Obst und Gemüse, Kräutern, Eiern, regionalem Wein, Wurst- und Fleischkühlschrank, Räucherfisch, Milchprodukten, selbst gemachten Marmeladen, Honig, Gewürzen, Gerichten in der Dose und Holzofenbrot (vom Kurpfalzhof Kirchheim – nur mittwochs, freitags und samstags) … und … und … ein unglaublich großes Sortiment. Bei Tomaten führen sie mehr als 30 verschiedene Sorten aus dem Eigenanbau! Mein Paradies! Ich mag das Saisonale beim Kochen, denn so bringt Mann/Frau frische Abwechslung auf den Tisch und Kinder schmecken, was Saison überhaupt bedeutet. Lenzens halten das mit ihrem ganzen Sortiment auch so – saisonal! Familie Lenz macht das seit 100 Jahren und die aktuellen Lenzens mit ihren 30 erfahrenen Mitarbeitern gärtnern und verkaufen seit 2006. Sie bekommen hier sogar Hundefutter, Gartengeräte, Blumenerde, Dünger und vieles was man zum gärteln so braucht. Mein Einkaufswagen schiebt mich automatisch in das lange Gewächshaus mit Blumen, einer riesigen Kräuterauswahl in Töpfen, wunderschönen Gefäßen für Balkon und Garten und den einladenden Beet- und Balkonpflanzen. Übrigens werden hier auch insektenfreundliche Pflanzen ausgewiesen. Bei den Kräutern sind sie für mich unschlagbar, was Vielfalt und Qualität anbelangt. Das Herz geht einem auf bei dieser Farbenvielfalt. Lassen Sie sich unbedingt beraten. Es gibt kaum ein „Kraut“, dass hier nicht wächst! Mein Korb ist voll gefühlt mit Farben, Düften und prallem Leben. Bon Appetit!

Sie finden Lenz auch auf dem Wochenmarkt donnerstags Friedrich-Ebert-Platz und in Neuenheim auf dem Marktplatz mittwochs und samstags.

Last but not least möchte ich, auf meinem Rückweg vom Feld, auf ein besonders und noch relativ unbekanntes Juwel der Handschuhsheimer Geschichte aufmerksam machen: Die Wohnanlage von 1921 der GGH in Hendesse: Die Blaue Heimat. Die damals neugegründete GGH (Grund- und Hausbesitz mbH Heidelberg) baute rund 100 Wohnungen in einer Anlage mit einem schönen Freizeit-Innenhof. Blaue Heimat, weil blaue Fassadenfarbe. Die Wohnungen wurden mit zwei bis drei Zimmern, mit Wohn- und Spülküche und einem Küchenbalkon gestaltet. Noch sind sie ohne Badezimmer. Anlässlich von 100 Jahre GGH wurde eine Dauerausstellung und eine Musterwohnung „Blaue Heimat“ der 1920er installiert. So hat eine 4-Köpfige Familie damals gewohnt, gelebt, geschlafen. Was für eine schöne Idee. Ein schöner Sonntagsausflugstipp nicht nur für Handschuhsheimer Familien und Schulklassen. Eintritt ist kostenlos.

Dauerausstellung – Geschichte des Wohnungsbaus in Heidelberg Mühlingstraße 22

Museumswohnung Blaue Heimat der GGH in der Mühlingstraße 16